Preisverleihung und Fachtagung des Forums Muslimische Zivilgesellschaft NRW
Das Forum Muslimische Zivilgesellschaft (FMZ) NRW verlieh am 26.06. im Dietrich-Keuning-Haus in Dortmund zum dritten Mal den Marwa-El-Sherbini-Preis, diesmal an den Bürgermeister von Monheim (Am Rhein), Daniel Zimmermann. KDDM-Vorstandsmitglied hat die Laudatio gehalten. Letztes Jahr fand die Verleihung in Düsseldorf statt. Die Veranstaltung, die unter dem Titel „Die unsichtbaren Narben: (antimuslimischer) Rassismus und seine gesundheitlichen Folgen“ stattfand, war ein bedeutendes Treffen von Expert:innen, Aktivist:innen, Politik und Vertretern der Zivilgesellschaft rund um antimuslimischen Rassismus.
Programmablauf und Höhepunkte der Fachtagung
Die Fachtagung im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche gegen antimuslimischen Rassismus begann um 10:00 Uhr mit einem Grußwort von Aslı Sevindim vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) NRW. Sie betonte die Wichtigkeit des Dialogs und der Zusammenarbeit mit muslimisch geprägten Vereinen in Nordrhein-Westfalen. Anschließend würdigte der beauftragte der Koordinierungsstelle muslimisches Engagement NRW Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani in einem emotionalen Nachruf das verstorbene Orga-Team Mitglied Nicole Erkan, die bis zuletzt an der organisation der Veranstaltung gearbeitet hat. Er hob ihr Engagement und ihren Beitrag zum Forum Muslimische Zivilgesellschaft NRW hervor wobei Bilder erinnerung der Engagierten Duisburgerin im Hintergrundabliefen.
Den ersten inhaltlichen Impuls gab Prof. Dr. Zerrin Salikutluk vom DeZim-Institut mit ihrem Vortrag „Rassismus und seine Symptome“. Sie präsentierte die Ergebnisse der NaDiRa-Monitor-Studie, die die gesundheitlichen Auswirkungen von antimuslimischem Rassismus empirisch belegte. Sie stellte fest, dass rund ein Drittel der muslimischen Frauen und Männer Benachteiligungen im Gesundheitswesen erleben. Je mehr Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen eine Person erfährt, desto schlechter ist ihr allgemeiner Gesundheitszustand und umso eher weist sie Symptome einer psychologischen Störung auf.
Erkenntnisse des Fachtags:
Um „Die unsichtbaren Narben“ und antimuslimischen Rassismus im Gesundheitswesen ging es gestern auf einem Podium des Forums Muslimische Zivilgesellschaft in Dortmund. In der Debatte wurde deutlich:
- Die „unsichtbaren Narben“, die Rassismus hinterlässt, sind vorhanden, auch bei den Teilnehmer:innen des Fachtags.
- Rassismus im Gesundheitswesen muss enttabuisiert und die Forschung ausgebaut werden.
- Scheindiagnosen wie „Morbus Bosporus“ oder „Morbus Mediterraneus“, die Klischees bedienen, führen dazu, dass Betroffene das Vertrauen in das Gesundheitswesen verlieren.
- Das Personal in Gesundheitseinrichtungen muss flächendeckend sensibilisiert werden, angefangen mit der Aus- und Fortbildung. Zudem braucht es diversitätssensible Lehre und angepasstes Lehrmaterial.
- Gesundheitsförderung und Prävention muss schon bei den Kleinsten anfangen. Präventionsangebote, z.B. an Schulen, müssen insbesondere dort angeboten werden, wo ein hoher Anteil von Kindern und Jugendlichen mit internationalen Wurzeln vorhanden ist.
Fishbowl-Diskussionen und TED-Talk
Nach einer kurzen Kaffeepause folgte eine Fishbowl-Diskussion zum Thema „System. Macht. Krank.“, moderiert von Ilham Temsamani vom Forum Soziale Innovation. Unter den Diskussionsteilnehmern waren Gülcan Çetin, Prof. Dr. Zerrin Salikutluk und Meral Thoms, MdL NRW. Die Teilnehmer diskutierten über die systemischen Ursachen von Rassismus und dessen gesundheitlichen Folgen. In einer zweiten Fishbowl-Diskussion mit dem Titel „Heraus aus der Machtlosigkeit“ konnten sich auch die Teilnehmer aus dem Publikum aktiv beteiligen. Säli El Mohands, Joanna Peprah und Aladdin Beiersdorf-El Schallah diskutierten mit den Anwesenden über rassistisch bedingte Fehldiagnosen, strukturell verankerte Diskriminierung im Gesundheitswesen und Auswirkungen Racial Profiling. Ein inspirierender TED-Talk (eine Storytelling Methode) von Gülcan Çetin rundete den Vormittag ab, in dem sie Optimismus, Aufklärung und Durchhaltevermögen als Schlüssel zum Erfolg hervorhob.
Während der Mittagspause von 13:00 bis 14:15 Uhr nutzten die rund 300 Gäste die Gelegenheit zum Networking auf dem „Markt der Möglichkeiten“, wo sich aus den über 200 Organisationen des Forums Muslimische Zivilgesellschaft die Möglichkeit bot mit ihren Projekten und Initiativen präsentierten.
Preisverleihung des Marwa-El-Sherbini-Preises
Der Höhepunkt der Veranstaltung war die Verleihung des Marwa-El-Sherbini-Preises an Daniel Zimmermann, Bürgermeister von Monheim. In einer würdigen Laudatio hob Redouan Aoulad-Ali vom FMZ NRW die herausragende Lebensleistung von Daniel Zimmermann hervor. Besonders betont wurde sein Engagement für die muslimische Gemeinschaft in Monheim, seine Haltung gegenüber Anfeindungen und seine Bemühungen für Toleranz und Ausgleich in der Gesellschaft. Aoulad-Ali erinnerte auch daran, dass die Ermordung am 01.Juli 2009, der Apothekerin Marwa El-Sherbini vor 15 Jahren ein neues Bewusstsein für deutsche Muslime ausgelöst habe und wie diese Tragödie zu einer stärkeren Vernetzung und einem gestärkten Selbstbewusstsein zum Einfordern der eigenen Rechte in der muslimischen Gemeinschaft führte.
In seiner Dankesrede erläuterte Bürgermeister Zimmermann, wie die Vergabe von Bauland an Moscheegemeinden in Monheim eine Hasswelle auslöste und wie durch eine Bürgeraussprache mit über 1000 Teilnehmern Vertrauen aufgebaut und Zustimmung gewonnen wurde. Er erzählte den Anwesenden von den Herausforderungen und den positiven Ergebnissen dieses Prozesses, um Mut zu machen, sich Anfeindungen entgegenzustellen und zu zeigen, dass Begegnungen Vorurteile auflösen können. Zimmermann widmete den Preis den Moscheegemeinden und lud das Forum Muslimische Zivilgesellschaft ein, im nächsten Jahr ihre Fachtagung und Preisverleihung in Monheim abzuhalten.
Barrierefreiheit und Wohlbefinden
Die gesamte Veranstaltung wurde barrierefrei gestaltet. Gebärdendolmetscher und Schriftdolmetscher stellten sicher, dass alle Programmpunkte für alle Teilnehmer zugänglich waren. Ein Awareness-Team war während der gesamten Veranstaltung anwesend, um auf das Wohlbefinden der Teilnehmer zu achten und bei Bedarf Unterstützung zu bieten.
Abschluss und Ausklang
Den Abschluss bildete ein Improvisationstheater des Ensembles Springmaus Impro-Comedy, dass die Eindrücke des Tages künstlerisch zusammenfassten. Die Tagesmoderation übernahmen Halide Özkurt vom Sozialdienst Muslimische Frauen und Merfin Demir vom Ternodrom e.V.
Die Veranstaltung endete um 16:30 Uhr und hinterließ bei den Teilnehmern einen bleibenden Eindruck und neue Impulse für die Zukunft.
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