Nach Hanau Anschlag: KDDM fordert Versäumnisse der Vergangenheit offen auf den Prüfstand zu stellen

Redaktion
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Tief bestürzt hat der Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) auf den rechtsideologischen Terrorakt in Hanau reagiert.  Der stellv. Vorstandsvorsitzende Sejfuddin Dizdarevic kommentierte heute die Ereignisse von Hanau: „Noch während der Vorbereitungen auf unsere Mahnwache am 15. März 2020 zum Jahrestag des islamfeindlichen Terroranschlags in Christchurch hat die Nachricht vom Attentat in Hanau den KDDM brutal erschüttert. Der KDDM verurteilt diesen fürchterlichen und hasserfüllten rechtsextremistischen Terroranschlag aufs Schärfste. Wir sind in Gedanken bei den Opfern des Anschlags und ihren Hinterbliebenen.“

Auch Redouan Aoulad-Ali, zweiter Vorsitzender des KDDM, zeigte sich entsetzt über das Ausmaß, das der völkisch-nationalistischer Terror in Deutschland inzwischen erreicht hat. „Noch vor wenigen Tagen wähnten wir uns in trügerischer Sicherheit, als eine rechtsradikale Terrorzelle von den Sicherheitsbehörden aufgedeckt wurde“, bekannte er. „Wir müssen heute jedoch feststellen: Unsere Sicherheit war nie bedrohter als derzeit! Seit Jahren beobachten wir nun gewalttätige Muslimfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus. Die politisch motivierten Morde des NSU, die Ermordung Dr. Walter Lübckes, der antisemitische Anschlag in Halle und jetzt die Tat in Hanau zeigen uns deutlich, dass die Grenzen weit überschritten sind.“

Fortwährend wendet sich der KDDM mit seinen über 30 Moscheegemeinden und Vereinen in großer Sorge an die Polizei unserer Stadt mit der Bitte um Implementierung eines Sicherheitskonzeptes zum Schutz muslimischer Institutionen in Düsseldorf. Es ist beinahe skandalös, dass insbesondere vor- und seit dem Anschlag in Christchurch immer noch kein ernstzunehmendes Engagement seitens der verantwortlichen Sicherheitsbehörden gezeigt wurde, um die Sicherheitsbelange der Muslime in Düsseldorf konzeptionell zu gewährleisten.
Der Vorstandsvorsitzende des KDDM, Dr. Dalinc Dereköy, fordert die örtlichen Sicherheitsbehörden, aber auch die Landesregierung dazu auf, „mögliche Versäumnisse der Vergangenheit in Bezug auf Minderheitenschutz, offen auf den Prüfstand zu stellen und Konsequenzen zu ziehen.“ Gleichzeitig ermutigt er „das Land Nordrhein-Westfalen, unsere Stadt Düsseldorf und alle Demokrat*innen, sich den beängstigenden Entwicklungen des rechten Terrors in Deutschland mit allen notwendigen Mitteln entgegenzustellen“.

Der KDDM begrüßt ausdrücklich die Anweisung des NRW-Innenministers Herbert Reul an die nordrhein-westfälische Polizei, „Orte, an denen sich viele muslimische Mitbürger aufhalten, mit Polizeistreifen zu sichern“. Allerdings erfordert die gegenwärtige Bedrohungslage ein konkretes und nachhaltiges Sicherheitskonzept.

Der KDDM steht für ein tolerantes, mitfühlendes, respektvolles und offenes Deutschland ein und fordert weiterhin alle Muslime auf, sich für unser Land zu engagieren und unsere Stadtgesellschaft mitzugestalten. Es bleibt dabei unabdingbar, dass Versäumnisse aus der Vergangenheit offen angesprochen und immer wieder thematisiert werden bis diese zum Wohle aller Mitmenschen behoben sind.

Dabei stellen sich für den KDDM folgende wichtige Fragen:

1. Warum wird die konkrete Forderung eines Sicherheitskonzepts zum Schutz muslimsicher Institutionen – insbesondere nach dem Aufdecken der NSU-Terrorzelle – von der Polizei scheinbar nicht ernst genug genommen oder die Gefahr teilweise sogar heruntergespielt, da angeblich keine Bedrohungslage gesehen werde? Was muss noch passieren, damit dieses Thema die adäquate Ernsthaftigkeit erhält?
 
2. Warum bekommen die anhaltend steigende Muslimfeindlichkeit sowie die konkrete Bedrohung der muslimischen Mitmenschen in Deutschland durch den rechten Terror noch keinen angemessenen Raum an den kommunalen Runden Tischen mit der Polizei?
 
3. Wie zeitgemäß ist die sicherheitsbehördliche Institution eines ‚Kontaktbeamten für muslimische Institutionen‘ (KMI) heutzutage, wo ein Polizeibeamter mit der ‚Betreuung‘ von muslimischen Institutionen beauftragt wird?

4. Haben andere Religionsgemeinschaften einen eigenen Polizisten, der sie zum Polizeipräsidenten zitieren kann? Ist das nicht, diskriminierend, kriminalisierend, stigmatisierend und die Bevormundung einer ganzen Religionsgemeinschaft?

5. Warum wird bei den kommunalen Runden Tischen mit der Polizei trotz der gegenwärtigen widersprüchlichen Ereignisse verhältnismäßig oft das Thema einer salafistischen Radikalisierung angesetzt, aber viel zu selten die Bedrohungslage muslimsicher Institutionen in Düsseldorf, ihr Schutzbedürfnis sowie ihre gesellschaftliche Partizipation?

Der KDDM fordert:

  • Einen offenen Dialog über die o. g. Fragen und eine klare Positionierung des Düsseldorfer Polizeipräsidenten
  • Die unverzügliche Aufnahme von Gesprächen durch das Düsseldorfer Polizeipräsidium mit muslimischen Institutionen, um über die Bedrohungslage von Düsseldorfer Muslimen zu beraten und letztlich die Implementierung eines adäquaten Sicherheitskonzeptes zum Schutz muslimischer Institutionen in Düsseldorf zu ermöglichen
  • Die Abschaffung des kommunalen Runden Tisches mit der Polizei speziell für Muslime und stattdessen die Einrichtung einer Aktuellen Stunde für Bürger*innen, wo Sicherheitsfragen und Bedrohungslagen erörtert werden können
  • Die Unterstützung der politischen und administrativen Entscheidungsträger in Düsseldorf bei der Erarbeitung einer erkennbaren Strategie zur Erhöhung von Partizipationsmöglichkeiten von muslimischen Düsseldorfer*innen und zur Sicherung ihrer Bürgerrechte.

KDDM Vorstand
20.02.2020