Aufklärung geht anders
Zur Veranstaltung des „Düsseldorfer Aufklärungsdienst e.V.“ am 15. April 2021
Inhalt
Einführung ………………………………………………………………………………
Einschätzung der Veranstaltung ………………………………………………
I. KDDM WURDE NICHT EINGELADEN ……………………………………
II. TENDENZIÖSER TITEL …………………………………………………………
III. EKLAT UM HERRMANN-MARSCHALL ………………………………
IV. AFD-AKTIONSGEFLECHT …………………………………………………
V. GRÖßERER KONTEXT? ………………………………………………………
Einführung
Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst e.V., eine Regionalgruppe der religions- und vor allem kirchenkritischen Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), veranstaltete am 15.04.2021 eine Online-Veranstaltung mit dem Titel „Politischer Islam – Düsseldorfer Organisationen und Netzwerke“. Der Einladungstext zur Veranstaltung bezieht sich in großen Teilen konkret auf den KDDM (Kreis der Düsseldorfer Muslime) und ist sichtlich um Skandalisierung bemüht. So geht der Einladungstext auf eine durch den Stadtrat kürzlich beschlossene Unterstützung der Integrationsarbeit und des bürgerschaftlichen Engagements des KDDM[1] ein und behauptet, dass dies „an der Stadtgesellschaft nahezu vorbeigelaufen“ sei, um nur ein Beispiel zu nennen. Eine Behauptung, die nachweislich unwahr ist[2] (siehe Faktencheck).
Der Vortrag zur Veranstaltung setzt diese Skandalisierungsbemühungen fort. In Teilen nimmt er deutlich verschwörungstheoretische Züge an. So wird der KDDM als „Blackbox“ bezeichnet, um für Vereine mit extremistischen Bezügen eine Art „Schutzschicht“ zu bieten. Bei dem in der Gründungsphase befindlichen Rat der Religionen wird sogar von einer „Immunisierungsblase“ bestehend aus in erster Linie kirchlichen Organisationen und Abrahamitischen Initiativen gesprochen. Einem weiteren Rat der Religionen in einer anderen Stadt unterstellt die Referentin Sigrid Herrmann-Marschall in diesem Kontext als Negativbeispiel eine „Allianz zwischen Katholiken und (..) städtischen Protestanten und zum Teil Khomeini-Anhängern“ und kritisiert eine vermeintlich organisierte „christlich-islamische Interessenvertretung“.
Die Wahl der Protagonistinnen und Protagonisten der Veranstaltung lässt viele Fragen offen. Die Referentin Herrmann-Marschall ist keine Unbekannte. Die gelernte Biologin und selbsternannte „Sekten- und Islamismus-Expertin“ taucht immer wieder im Aktionsgeflecht der AfD auf (Werner Gräßle, Präsident des Amtsgerichts Lichtenberg, Berlin).[3] Die renommierte Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor attestierte ihr vor Jahren, „allenfalls Laienwissen über den Islam“[4] zu haben. Sie „verurteile Menschen ohne nachprüfbare Beweisführung pauschal als Anhänger islamistischer Strömungen“. Auch die Einladung der Bundestagsabgeordneten Sylvia Pantel zur Veranstaltung verwundert. Pantel steht für konservative und zum Teil vom christlichen Menschenbild geprägte Positionen, die denen – wie erwähnt – der gbs – als deren Regionalgruppe der Düsseldorfer Aufklärungsdienst auftritt – fundamental entgegenstehen. Die gbs ist eine religionskritische, für Sebastian Bartoschek (Psychologe, Autor „Ruhrbarone“) gar eine religionsfeindliche[5] Stiftung. Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst setzt sich für eine „Entflechtung von Staat und Kirche“ ein.
Der KDDM wundert sich über diese oben beschriebene Veranstaltung und kann nicht nachvollziehen, warum er Gegenstand der Diskussion sein sollte. Wir halten es auch für ein merkwürdiges Dialog- und Aufklärungsverständnis, wenn offenkundig bei der Veranstaltung über den KDDM, aber nicht mit ihm gesprochen werden soll. Die Wahl der hochumstrittenen Referentin sehen wir äußerst kritisch und hoffen sehr, dass diese Wahl aus Unkenntnis über sie und nicht aus kühler Berechnung erfolgte. Denn wir sind überzeugt, dass eine Rechnung gegen die Offenheit, Dialogbereitschaft und das Miteinander in dieser Stadt niemals aufgeht.
Einschätzung der Veranstaltung
Der KDDM stemmt sich seit Jahren gegen Gewalt, Extremismus[6], Intoleranz[7], Islamfeindlichkeit und Antisemitismus[8] und führt dazu selbst eine Reihe von Aktivitäten und Veranstaltungen durch, zuletzt im Rahmen der vielbeachteten KDDM-Veranstaltungsreihe „Düsseldorfer Freitagsgespräche“ [9]. Neben den Themen Soziale Teilhabe, Demokratiestärkung, Antidiskriminierungs- sowie Antirassismus-Arbeit und Interreligiöser Dialog behandeln wir u. a. auch die Themen religiöser Extremismus, gewalttätiger Fundamentalismus[10] oder Ideologisierung.
I. KDDM wurde explizit nicht eingeladen
Angesichts dieses Engagements und dem kommunalen Bezug wären wir für die Veranstaltung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes zum Thema „Politischer Islam“ durchaus ein geeigneter Ansprechpartner gewesen, insbesondere weil der KDDM sich unermüdlich gegen jede islamistische Einflussnahme wehrt und die Veranstaltung in ihrem Wesen aber auf den KDDM abzielt. Eine KDDM-Teilnahme an der Veranstaltung wäre somit nicht nur aus inhaltlicher Sicht wichtig und gewinnbringend gewesen. Es ist auch ein Gebot der Fairness, der Aufrichtigkeit und der Objektivität, sofern man nicht nur ÜBER Menschen oder Vereinigungen aus dem demokratischen Spektrum spricht, sondern mit ihnen. Wir können uns hier nicht des Eindrucks erwehren, dass im Rahmen der Veranstaltung keine anders lautende Meinung zum Ausdruck kommen sollte, selbst nicht von uns als möglicherweise Betroffene. Wir schließen es auch aus, dass es sich hierbei um ein Versehen oder Missverständnis handelt. Denn der KDDM ist dem Veranstalter in Struktur und Personalien bekannt. Der KDDM agiert mit dem Veranstalter in verschiedenen kommunalen Plattformen gemeinsam. Die Kontaktdaten des KDDM-Vorstandes sind öffentlich einsehbar.
II. Tendenziöser Titel
Die Veranstaltung wurde ursprünglich mit einem anderen Titel beworben. Dieser lautete „Einflussnahme islamistischer Netzwerke auf Politik und Gesellschaft in Düsseldorf“. Dieser Titel ist mehr als fragwürdig, denn es wird suggeriert, dass solche eine Einflussnahme existiert. [11] Ein flüchtiger Blick in die politische Landschaft und gesellschaftlichen Strukturen in Düsseldorf offenbart, wie verschwörerisch und absurd diese Suggestion ist. Der Veranstalter scheint dies schließlich erkannt zu haben und änderte den Titel der Veranstaltung ohne einen entsprechenden Hinweis diesbezüglich.
III. Gäste Eklat um Herrmann-Marschall
Als Gäste der geplanten Podiumsdiskussion wurden die beiden Düsseldorferinnen Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) sowie Sylvia Pantel (CDU) und zusätzlich der Chef des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes Burkhard Freier angekündigt. Auch hier ist es auffällig, dass andere Politiker:innen der anderen im Stadtrat vertretenen Parteien nicht eingeladen wurden, ebenso wenig Religionsgemeinschaften oder weitere Expert:innen. Beide angekündigten Politikerinnen wollten jedoch nicht an der Podiumsdiskussion teilnehmen. Tage vor der Veranstaltung hat die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann ihre Absage erteilt. Zu Beginn der Veranstaltung wurde auch die Absage der CDU-Politikerin Pantel verkündet. Burkhard Freier, Chef des Verfassungsschutzes NRW, soll einer Teilnahme an der Veranstaltung gar nicht erst zugestimmt haben.
Zu Beginn der Veranstaltung verkündete Eva Witten, stellvertretende Vorsitzende des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes, dass ihre Versuche, das Podium nachträglich noch mit Lokalpolitiker:innen zu besetzten, gescheitert seien. Unter anderem wurden absagen von folgenden Stadträten bekanntgegeben, Dr. Gottfried Panhaus(Volt), Hakim El Ghazali (SPD) Lukas Mielczarek (Grüne) und eine weitere Person von der Linken Ratsfraktion. In mindestens einem Fall gilt es als gesichert, dass die Absage wohl mit der Wahl der Referentin, Sigrid Herrmann-Marschall, zusammenhängt.
IV. AfD-Aktionsgeflecht
Herrmann-Marschall ist nicht nur Biologin, sondern auch eine Bloggerin, die immer wieder im Verdacht steht, im Aktionsgeflecht der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) zu agieren, zuletzt bei einer 2019 von der AfD einberufenen Anhörung im NRW-Landtag.[12] Als Sachverständige für die Anhörung benannte die AfD Jaklin Chatschadorian, ein ehemaliges Mitglied der AfD-nahen Stiftung Desiderius-Erasmus. Als diese verhindert war, sprang Herrmann-Marschall für sie ein, laut FDP-MdL Angela Freimuth [13], – mit Zustimmung der AfD, wie es scheint. Im Netz ist immer wieder zu lesen, dass Herrmann-Marshall über Social media-Kontakte zu auf Bundesebene tätigen AfD-Funktionären wie etwa Lutz Urbanczyk unterhalten haben soll. Urbanczyk ist ein Befürworter der Todesstrafe, der die SPD bezichtigt, einen Plan zu verfolgen, „Deutsche zu einer Minderheit in einem kriminellen Migrantenstaat“ machen zu wollen. Nach Bekanntwerden dieser Verbindung soll Herrmann-Marschall ihren Facebook-Kontakt zu Urbanczyk gelöscht haben. Kritiker warnen schon länger, dass sie „tiefer in Strukturen der rechtsextremen AfD verankert sein könnte als bisher angenommen“.[14]
Daran scheint sich der Düsseldorfer Aufklärungsdienst dennoch nicht anzustoßen. Auch nicht daran, dass Herrmann-Marschall schon in der Vergangenheit muslimische Akteure mit falschen Bezichtigungen konfrontiert hat, die sich als unwahr herausstellten. Wie etwa im Fall von Mitarbeitern des Immanuel Kant-Weltbürger-Preis Trägers Violence Prevention Network (VPN)[15] in Hessen. Diesen unterstellte sie einst, Bezüge zu Islamisten zu haben. Eine erneute Sicherheitsprüfung durch den hessischen Verfassungsschutz bestätigte, dass an den beiden VPN-Mitarbeitern nichts zu beanstanden sei.[16]
Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst hat bisher immer eine klare Haltung gegenüber der AfD gezeigt. Dass er nun ausgerechnet Sigrid Herrmann-Marschall referieren lässt, irritiert nicht nur uns.
V. Größerer Kontext?
Dies ist aber nicht erst der Anfang einer Kampagne gegen den KDDM, in die sich Herrmann-Marschall einspannen lässt, oder dies vielleicht gar von ihr flankiert wurde, sondern wohl nun das traurige Ende. Denn bereits am 19.02.2021 (am Jahrestag der rechtextremen Anschläge von Hanau)[17] brachte die AfD-Landtagsfraktion NRW gleich zwei Kleine Anfragen zum KDDM in den Landtag ein, in denen Herrmann-Marschall oft bzw. primär als Quelle angegeben wurde und dies war nicht das erste Mal. Im April 2021 wurde in einem Artikel auf der neurechten Plattform [18] [19] „Tichys Einblick“[20] versucht, den KDDM ein erneut – analog zu den AfD-Anfragen – in die Nähe von Extremisten zu rücken. Auffällig ist, dass im Schriftsatz des Rechtsanwaltes von „Tichys Einblick“ wieder Herrmann-Marschall als Quelle angegeben wird. Der KDDM Vorstand behält es sich vor, wie in der Vergangenheit auch gegen diese Veröffentlichungen rechtlich vorzugehen.
Einzelnachweise:
[1] https://www.gruene-duesseldorf.de/foerderung-koordinierende-arbeit-kreis-duesseldorfer-muslime-kddm/
[2] https://www.duesseldorf.de/rat/live/aufzeichnungen-live-stream/040221.html
[3] https://ohne-unterschiede.de/sigrid-herrmann-marschall-als-sachverstaendige-fuer-die-afd/
[4] https://www.sueddeutsche.de/politik/deradikalisierung-islamismus-mit-islam-bekaempfen-1.3616942
[5] https://www.ruhrbarone.de/abdel-storch/125739
[6] https://respekt-und-mut.de/netzwerk/partner/kddm-kreis-der-duesseldorfer-muslime
[7] https://www.bilkorama.de/duesseldorf-stellt-sich-quer/
[8] https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/viel-lob-fuer-muslimisch-juedische-initiative_aid-23225127
[9] https://freitagsgespraeche.info/neues/
[10] https://freitagsgespraeche.info/religioeser-extremismus-gemeinsam-gegen-ideologisierung-und-gewalttaetigen-fundamentalismus/
[11] https://www.facebook.com/events/1067113963784537
[12] https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA17-509.pdf
[13] https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/angela-freimuth/fragen-antworten/506329
[14] https://fanf1848.wordpress.com/2017/03/29/bloggerin-herrmann-marschall-nicht-mehr-auf-seite-der-offenbacher-spd-zu-finden/
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Violence_Prevention_Network
[16] https://www.fr.de/rhein-main/verdacht-erhaertet-sich-nicht-11088639.html
[17] https://www.zdf.de/nachrichten/zdfheute-live/hanau-anschlag-gedenken-video-100.html
[18] https://www.tagesspiegel.de/politik/gericht-gibt-bundestagsvizepraesidentin-recht-roland-tichy-scheitert-mit-erneuter-klage-gegen-claudia-roth/25905744.html
[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Tichys_Einblick#Kontroversen
[20] https://taz.de/Rechte-Medien-und-die-buergerliche-Mitte/!5686230/
Update 17. Juli 2021:
Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) ist gerichtlich erfolgreich gegenüber „Tichys Einblick“
Keine Kommentare