Sarajevo ein Reisebericht

Gastbeitrag

𝑩𝒆𝒕𝒖𝒆𝒍 𝒘𝒂𝒓 𝒅𝒊𝒆 𝑻𝒆𝒊𝒍𝒏𝒆𝒉𝒎𝒆𝒓𝒊𝒏 𝒆𝒊𝒏𝒆𝒓 𝑩𝒐𝒔𝒏𝒊𝒆𝒏𝒃𝒊𝒍𝒅𝒖𝒏𝒈𝒔𝒓𝒆𝒊𝒔𝒆 𝒊𝒎 𝑱𝒂𝒉𝒓 𝟐𝟎𝟏𝟖. 𝑫𝒂𝒔 𝒔𝒊𝒏𝒅 𝒊𝒉𝒓𝒆 𝑰𝒎𝒑𝒓𝒆𝒔𝒔𝒊𝒐𝒏𝒆𝒏 ü𝒃𝒆𝒓 𝒅𝒊𝒆 𝑨𝒍𝒕𝒔𝒕𝒂𝒅𝒕 𝒗𝒐𝒏 𝑺𝒂𝒓𝒂𝒋𝒆𝒗𝒐.

Ein Streifzug durch die vielen Schichten dieser Stadt

Jedem Ort wohnt ein eigener Charakter inne. Wir verbinden Gefühle oder Atribute mit ihnen.

In Bosnien – in diesem Fall in der Altstadt von Sarajevo- ist es für mich das Wort „huzur“, welches mir in den Sinn kommt. Übersetzt kommt es in der Bedeutung für innere Ruhe und Frieden gleich. Gerade in den Morgenstunden, während die Touristen noch schlafen und die Besitzer der alten kleinen Läden langsam ihre hölzernen Faltläden öffnen, spürt man das Innehalten der osmanischen Altstadt.

Ich schlendere vorbei am Sebilj, dem Brunnen im Zentrum des Marktplatzes über das Kopfsteinpflaster, sehe Moscheen aus dem Osmanischen Zeitalter, Vögel kreisen um die Minarette…
In einem der alten Cafés bestelle ich einen bosnischen Kaffee. Er ist ähnlich der türkischen Variante; ein dunkler Mokka mit feiner Crema und wird klassisch in einer kupfernen Čezva und einer kleinen Tasse serviert. Dazu eine Art Zucker, den man erst in den Kaffee tunkt und dann in den Mund nimmt.

Die Altstadt wird langsam lebendiger. Auf dem Weg durch die Gassen bleibt mein Blick auf dem Boden haften: ein breiter Streifen mit einem Kompass, der Ost und West darstellt, preist die Kulturvielfalt an. Ich hebe den Blick, das Osmanische Reich hört abrupt auf. Plötzlich sehe ich vor mir hohe steinerne Gebäude aus der Zeit Österreich-Ungarns. Aufgehübschte Fassaden im klassizistischen Stil, es ist, als ob man in irgendeiner deutschen Innenstadt unterwegs ist: Mango, Zara, Cafés und Bars, selbst ein DM und eine Sparkasse findest du vor. Der Trubel, die vollen Cafés sind mir zu viel. Ich verlasse die Fußgängerzone über eine Seitenstraße und lande auf einer Parallelen. Und wieder befinde ich mich in einem neuen Bühnenbild wieder: Düstere Fassaden, geschwärzt durch den Ruß vergangener Epochen, große Statuen, die Eingänge einrahmen… Sie sind Zeuge einer vergangenen Moderne und lassen den Glanz dieser Stadt erahnen. Noch immer tragen viele Häuser auf dieser B-Seite der Stadt Narben der Einschusslöcher.

Beim Gebet in der Gazi Husrev Beg Moschee lasse ich den Alltag draußen… wieder in sich ruhen, wieder Zeit und Ort vergessen… hier fällt es einem leicht. Nach dem Gebet fallen die vielen jungen Muslime auf, ihre ruhige friedliche Natur spiegelt sich an diesem Ort wieder.

Es ist später Nachmittag. Über eine enge Straße laufe ich einen Hügel hoch und komme am großen Friedhof an. Dieser ehemalige Park, der nun letzte Ruhestätte vieler Opfer des Krieges ist und gleichzeitig das Grab von Alija İzetbegović beherbergt, erstreckt sich über den Hang. Für uns Außenstehende ist diese Konfrontation mit den unendlich vielen weißen Stelen erdrückend, aufwühlend und ernüchternd. Sie ermahnen die Hinterbliebenen: Erinnere dich! Vergiss nicht was geschah! Nie wieder! Wieder eine Facette dieser Stadt. Eine bittere. Eine, die dich bereuen lässt, wenn du für einen Moment oberflächlich wirst.
Ich halte inne, bete für die Gefallenen und setze meinen Weg fort.

Unmittelbar angrenzend liegt die Aussichtsplattform Žuta tablija, ich erreiche die Plattform gerade rechtzeitig: Die Sonne geht unter, die blaue Stunde läutet ein und von der – wie ich vermute- Gazi-Husrev-Beg Moschee ertönt der erste Ruf zum Abendgebet, ohne Verstärker, nur die Stimme des Muezzins…Nacheinander ertönen die Stimmen der anderen und zuletzt die nahegelegene İplidžik Sinanova Moschee… Und da ist es wieder: dieses erfüllende Gefühl, huzur…

Betül

Weiterführende Informationen und Anmeldung: bildungsreise.kddm-online.de

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